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// Editorial: Equal //

Rassismus ist ein Machtgefüge, das sich über Jahrhunderte in den Strukturen unserer Institutionen, unseres Rechtssystems und damit auch in unseren Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen festgesetzt hat. ...

... Es führte schon früh zur Durchsetzung asymmetrischer Machtbeziehungen, die das Recht auf ein unversehrtes und selbstbestimmtes Leben immer nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen geltend machte, während die Rechte anderer systematisch ausgehöhlt wurden. Die Menschheitsgeschichte ist reich an Ausbeutung, Versklavung und Verfolgung bis hin zur Vernichtung von Menschen, die nicht der „weißen“ Norm entsprechen. Heute fallen diese Formen vielleicht weniger drastisch aus. Aber wir beginnen zu begreifen, dass unsere demokratischen Institutionen – so auch die Hochschulen – immer noch geprägt sind von einem strukturell tief in unseren Denkmustern verankerten Rassismus.

Wie sich der Rassismus über die Jahrhunderte hinweg bis heute „ungesehen“ in unser Weltbild einschreiben konnte – das steht im Mittelpunkt des DUZ THEMAS dieser Ausgabe (ab Seite 20). So zeigen die Sozialwissenschaftlerin Claudia Brunner (ab Seite 28) und der Historiker Christian Geulen (ab Seite 34), dass auch die erkenntnistheoretische Einordnung wissenschaftlicher Sachverhalte nicht frei davon ist. Ein Beispiel: Die Französische Revolution von 1789 gilt allgemein als Ausdruck und Höhepunkt des aufklärerischen Denkens der Neuzeit und wird als Geburtsstunde für Fortschritt und Moderne in den westlichen Gesellschaften gesehen. Doch die revolutionäre Befreiungsbewegung der Sklaven von Saint Domingue (heute Republik Haiti), die fast zeitgleich stattgefunden hat und 1804 zur Gründung des ersten unabhängigen Staates in Lateinamerika führte, bleibt für die meisten Wissenschaftler gänzlich unbedeutend. Wen wundert es, dass dadurch die historischen Zusammenhänge der karibischen Revolutionsbewegungen unbekannt und kaum erforscht sind? Dabei liefern auch sie einen wichtigen Beitrag zu Erkenntnissen über unsere Welt.

Seit einigen Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen daran, das auf der Basis von Ungleichheit sich stetig reproduzierende Denkgerüst unseres Wissens kritisch zu hinterfragen. So hat die Theoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak in den 1990er-Jahren im Kontext ihrer postkolonialen Forschung ausgehend von Michel Foucaults macht- und wissenstheoretischer Diskursanalyse dargelegt, wie die auf Rassismen beruhende Konstruktion eines „Anderen“ notwendig war, um die bestehende Norm und die damit verbundenen gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu stabilisieren. Diese menschenfeindlichen, einengenden und unproduktiven Machtverhältnisse werden heute zunehmend in Frage gestellt.

Und auch wir sollten uns fragen: Welches Wissen gilt heute als legitim und anerkennungswürdig? Wer besitzt Deutungshoheit? Wer repräsentiert Wissen und Wissenschaft? Welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden kanonisiert, welche nicht und warum? All dies sind hochbrisante, wissenschaftspolitische Fragen, deren kritische Aufarbeitung wichtige Voraussetzung für die Arbeit an einem gerechteren, inklusiveren Hochschulsystem ist.

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