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Lokal, global, zusammen

Die Internationalisierung löst Gegensätze auf – beschleunigt durch digitale Formate. Mobilität bleibt trotzdem wichtig, meint die Wissenschaftsmanagerin Dorothea Rüland 

Das Thema Internationalisierung in der Wissenschaft hat sich über die letzten Jahrzehnte sehr dynamisch entwickelt. Es ist inzwischen kein nettes Add-on mehr, sondern ein Querschnittsthema, das alle Bereiche einer Hochschule und der Wissenschaft durchzieht. Doch wie wird es sich zukünftig entwickeln? Was hat uns die Covid-19-Pandemie gelehrt, die es zeitweise fast unmöglich machte zu reisen? Gerade die Bewältigung dieser Krise zeigt, wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist: Nur gemeinsam und über nationale Grenzen hinweg ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, in kürzester Zeit Impfstoffe zu produzieren. 

Wie vieles andere hat Covid-19 auch die Internationalisierung stark verändert. Um weiter kooperieren zu können, hat sich insbesondere die Forschung sehr schnell auf digitale Formate umgestellt – von Zoom-Meetings über digitale und hybride Konferenzen bis hin zu co-kreativen Forschungsplattformen. Dies hat erstaunlich gut funktioniert und wird auch sicherlich in Teilen nach der Pandemie erhalten bleiben. In gewisser Weise ist die Welt kleiner geworden und besser vernetzt, als wir dies bisher kannten.

Schwieriger war die Situation für Studierende: Denn anders als Forschenden fehlten ihnen in dieser Zeit oftmals die internationale Erfahrung und die Netzwerke, um international aktiv zu werden. Viele Studien zeigen, dass junge Menschen nach wie vor ins Ausland gehen wollen, um dort interkulturelle Erfahrungen zu sammeln und selbst Netzwerke aufzubauen. 

Netzwerke sind das Instrument der Zukunft

Was heißt dies nun für das Verhältnis von digitalen Formaten zu physischer Mobilität? Beides hat seine Berechtigung, kann sich wechselseitig sehr sinnvoll ergänzen und bereichern und sollte entsprechend genutzt werden – nicht zuletzt auch mit Blick auf den ökologischen Fußabdruck. Dienen digitale Formate vor allem der Wissensvermittlung, bedarf es der persönlichen Kontakte und des direkten Austauschs, um nachhaltige Netzwerke aufzubauen. Und das ist wichtig, denn Netzwerke sind das Instrument der Zukunft: Die großen zu bewältigenden Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende oder die Entwicklung neuer Technologien lassen sich nur in globalen und transdisziplinären Netzwerken bearbeiten. Niemand kann dies allein. Die Kultur des Miteinanderarbeitens muss eingeübt werden und setzt einen engen persönlichen Kontakt voraus. Dies gilt letztlich für alle Stufen der wissenschaftlichen Arbeit.

Wichtig: Freiräume für Forschung schaffen

Es wird Freiräume geben müssen, in denen Forschende und Studierende sich persönlich treffen und gemeinsam an Neuem, Unerwartetem und Überraschendem arbeiten können. Ein gutes Beispiel dafür sind die Institutes for Advanced Study (IAS), die gerade in letzter Zeit in großer Zahl entstanden sind – in Deutschland oftmals initiiert durch die Exzellenzinitiative beziehungsweise Exzellenzstrategie. Wie der Wissenschaftsrat kürzlich in seiner Studie zu den Entwicklungsperspektiven für deutsche IAS festgestellt hat, gehört dieses Format inzwischen fest zum deutschen Wissenschaftssystem. Hier bietet sich die Möglichkeit, Freiräume zu schaffen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzubringen und Neues entstehen zu lassen. Ein derartig geschützter Raum bietet den Rahmen für völlig neue Ansätze transdisziplinären Denkens. 

Je nachdem, welches Profil ein IAS hat, kann dies sehr unterschiedlich aussehen – von großen individuellen Leistungen bis hin zu gemeinsamen Projekten und neuen Netzwerken. So forschen die Fellows am Hamburg Institute for Advanced Study (HIAS) etwa im Tandem mit Partnerinnen und Partnern der Hamburger Mitgliedseinrichtungen an den unterschiedlichsten Themen, vom rechtlichen Umgang mit Daten bis hin zu neuen Biotopen in unseren Städten. Aus allen Disziplinen der Wissenschaft sowie der Künste werden Fragen dazu aufgeworfen, wie wir in Zukunft leben wollen, welche Herausforderungen sich daraus für die Wissenschaft ergeben und welche Antworten Wissenschaft und Künste hierzu liefern können. Der große Mehrwert liegt dabei im gemeinsamen Leben und Forschen über disziplinäre Grenzen hinweg. Durch die unterschiedlichen Perspektiven ergeben sich völlig neue Lösungsansätze.

Bestes Beispiel: Klimawandel

Dabei löst sich der ursprüngliche Gegensatz von lokal und global auf. Dies hatte sich bereits im Begriff Internationalization at home abgezeichnet, wurde dann jedoch durch Covid-19 stark beschleunigt. Beides gehört zusammen: Im Lokalen sind immer globale Aspekte eingebunden und umgekehrt. Das beste Beispiel dafür ist der Klimawandel. Was immer hier passiert, hat globale Auswirkungen, und was in der weiten Welt geschieht, hat Rückwirkungen auf uns. Dank digitaler Formate lässt sich diese oftmals postulierte Antinomie auch im Hochschulalltag aufheben. Vieles kann gemeinsam mit Studierenden aus der ganzen Welt erarbeitet werden und macht damit auch Internationalisierung für breitere Bevölkerungsgruppen möglich. Dadurch erhält das Thema auch eine inklusive Dimension.

Internationalisierung ist dabei viel mehr als reine Mobilität. Aber sie braucht weiterhin Mobilität. Denn sie setzt ein gemeinsames Verständnis voraus und die Fähigkeit der Einordnung auf Basis interkultureller Erfahrung. Hierfür werden auch weiterhin Auslandsaufenthalte als Teil des Studiums eine wichtige Rolle spielen – am besten von längerer Dauer und mit vielen persönlichen Kontakten. Denn die Notwendigkeit des persönlichen Kontakts bleibt und wird zukünftig immer wichtiger. Letztlich geht es aber nicht nur um Wissen und wechselseitiges Verstehen von wissenschaftlichen Fragen. Gerade die Aufhebung der Grenzen zwischen lokal und global produziert auch Ängste und bedarf einer guten Kommunikation. Nationale Grenzen zu verstärken und wieder hochzuziehen wie zu Beginn der Covid-19-Pandemie kann keine Lösung sein. Vielmehr muss der Mehrwert der Vernetzung deutlich gemacht werden. 

Brücken bauen, wo Politik es nicht schafft

Die Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft bringt jedoch noch sehr viel mehr Potenzial mit sich. Sie kann Brücken in Gesellschaften bauen, insbesondere wenn Politik an ihre Grenzen stößt. Und auch hier schwinden die Grenzen zwischen Lokalem und Globalem. Nicht ohne Grund spielt Science Diplomacy eine zunehmend wichtige Rolle. Das beste Beispiel dafür sind große internationale Forschungsinfrastrukturen wie CERN oder globale Forschungsnetzwerke zu den großen Themen der Zukunft. Ebenso dringend aber braucht es Freiräume der Wissenschaft wie die oben genannten Institutes for Advanced Study. Gemeinsam leben und forschen – völlig zu Recht weist die genannte Studie des Wissenschaftsrats darauf hin, dass dies eine originäre Aufgabe der EU ist, um dazu beizutragen, Netzwerke der Wissenschaft aus der EU in die ganze Welt zu bauen. //


Dr. Dorothea Rüland 

ist Generalsekretärin des Hamburg Institute for Advanced Study. Zuvor war sie Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). 

Foto: Claudia Höhne / HIAS

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