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Kurz davor, verstetigt zu werden

Am 15. September 2022 erschien unter dem Titel „Engage with Fungi“ das erste Buch bei Berlin Universities Publishing (BerlinUP). Christina Riesenweber von BerlinUP bietet im Interview Einblick in die Hintergründe des von vier Berliner Wissenschaftseinrichtungen gegründeten Open-Access-Verlags.  

Frau Riesenweber, „Engage with Fungi“ setzt sich anhand des Beispiels von Pilzen mit der Verflechtung von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft auseinander. Warum gerade dieses Buch als Premiere für BerlinUP?

Das Buch wurde unter anderem von Prof. Dr. Vera Meyer herausgegeben. Sie ist seit vielen Jahren die Open-Access-Beauftragte der Technischen Universität Berlin und sehr engagiert für Open Access. Spannend war für uns zudem, dass das Buch interdisziplinär angelegt ist: Vera Meyer ist Molekularbiologin und Pilzforscherin und hat ihre Expertise mit einem künstlerischen Ansatz und Citizen-Science-Methoden verknüpft. 

Haben es solche Themen schwer, bei kommerziellen Verlagen unterzukommen? 

Das geht, wenn man genug Geld auf den Tisch legt. Man kann Open-Access-Bücher bei kommerziellen Verlagen gegen eine Gebühr veröffentlichen lassen, die sogenannten Book Processing Charges. Das ist quasi eine Buchbearbeitungsgebühr, die den Profitausfall ersetzt. Diese Kosten liegen aber schnell im fünfstelligen Euro-Bereich. 

Unter dem Dach BerlinUP ist ein wissenschaftlicher, nicht kommerzieller Open-Access-Verlag entstanden, an dem sich die vier großen Berliner Wissenschaftseinrichtungen zusammengetan haben: die Freie Universität (FU) Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin (HU), die Technische Universität (TU) Berlin und die Charité – Universitätsmedizin Berlin. Was war der Anlass für diesen Schritt? 

Im Bereich von Open Access haben diese Einrichtungen schon länger zusammengearbeitet. Im Jahr 2015 hat der Berliner Senat eine Open-Access-Strategie verabschiedet. Zwei Jahre später gab es eine erste Machbarkeitsstudie, die sich mit der Publikationsstruktur an den Berliner Wissenschaftseinrichtungen beschäftigt, und kurz darauf haben wir dann erste Ideen für ein kooperatives Open-Access-Dienstleistungsnetzwerk entwickelt. Mit dem Zuschlag für die Berlin University Alliance in der Exzellenzstrategie 2019 gab es die Möglichkeit, dieses Netzwerk als Projekt zu fördern.

Was sind die Vorteile?

Die Dienstleistungen von BerlinUP umfassen den Publikationsprozess von der Manuskripteinreichung bis zur Veröffentlichung, also etwa das Aufsetzen einer Zeitschrift oder eines Buches und die redaktionelle Beratung bei der Qualitätssicherung und zu technischen Standards. So etwas wäre für eine einzelne Einrichtung kaum zu stemmen, denn dafür braucht es eine spezielle Infrastruktur. Wir an der FU Berlin setzen beispielsweise für Zeitschriften die bewährte Open-Source-Software OJS ein. Weil wir dafür technische Infrastruktur und Personal vorhalten müssen, lohnt sich das aber erst so richtig, wenn man eine kritische Masse an Zeitschriften überschritten hat. Diese ist bei vier Einrichtungen schneller erreicht. Bei der Beratung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es ähnlich: Bieten wir als BerlinUP Termine zum Open-Access-Publizieren an, ist die Resonanz viel größer. 

Was sind Voraussetzungen, die man erfüllen muss, um bei BerlinUP zu veröffentlichen?

Wir sind kein Dienstleister am freien Markt, sondern bieten unsere Dienstleistungen für die Angehörigen der vier Berliner Einrichtungen an. Eine Herausgeberin eines Buches oder ein Redakteur eines Journals muss dort beschäftigt sein. Zudem muss ein fachlich anerkannter Begutachtungsprozess nachgewiesen werden. Das garantiert die Wissenschaftlichkeit.  Außerdem orientieren wir uns an den Qualitätssicherungsstandards internationaler Gremien zum wissenschaftlichen Publizieren.

Können Sie schon alles bieten, was große Verlage machen?

Nein, leider noch nicht. Wir haben beispielsweise noch keine umfassenden Satzleistungen und keine inhaltlichen Lektoratsdienstleistungen im Angebot, vermitteln aber entsprechende Services.

Wie werben Sie um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?

Bislang mussten wir neben unserer Website kaum Akquise machen, Autorinnen und Autoren, Herausgeberinnen und Herausgeber kommen trotzdem zu uns. Wir sind im Journals-Bereich derzeit mit rund 20 Projekten im Gespräch, ein guter Teil davon sind bereits existierende Zeitschriften, die entweder von Closed zu Open Access wechseln möchten oder die eher als Do-it-yourself-Projekte im Bereich Open Access laufen, die sich aber professionalisieren möchten mit einem guten Redaktionssystem und einer Qualitätssicherung. Es herrscht eine Wechselstimmung. Bei den Büchern sind die Dimensionen ähnlich. 

Woher rührt der Stimmungswechsel?

Das wissenschaftliche Publikationssystem ist an einem Punkt angelangt, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die ökonomischen Bedingungen des Publizierens deutlich werden. Diese Entwicklung wurde lange Zeit von den Bibliotheken abgefedert, die Abonnementskosten und später auch Publikationsgebühren übernommen haben. Aktuell ist es so, dass große kommerzielle Verlage sehr viel Geld für das Publizieren verlangen, unverhältnismäßig hohe Profitmargen haben und sich zu Datenkonzernen entwickeln. Diese Zusammengänge sehen immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisch und überdenken ihr Publikationsverhalten. 

Können Sie so viele Projekte übernehmen?

BerlinUP ist kurz davor, verstetigt zu werden. Das bedeutet, dass wir an allen vier Häusern dauerhafte Personalstellen hätten, die wir aus Haushaltsmitteln finanzieren können. An der FU konnten wir beispielsweise schon zwei Stellen in Vollzeit entfristen, auch an der Charité wurde eine Stelle geschaffen. Alle anderen Kosten, die darüber hinaus anfallen, werden von den Universitätsbibliotheken getragen. Damit könnten wir die erwartete Menge an Publikationen bearbeiten. 

BerlinUP ist noch auf Berlin konzentriert. Werden Sie Ihre Dienstleistungen ausweiten? 

Ja, das wollen wir mittelfristig machen. Wer heutzutage zum Beispiel eine Zeitschrift an der HU gründet, kann in fünf Jahren einem Ruf an eine andere Universität folgen. Das darf kein Grund sein, deswegen die Zeitschrift aufzugeben. Wir werden uns ein Modell überlegen, um auch externe Zeitschriften und Bücher aufzulegen. Ein Weg könnte die Kooperation mit anderen Wissenschaftseinrichtungen oder auch kleinen Verlagen sein, die nicht die Infrastruktur für Open Access haben. Das hat Zukunft. Klar ist aber, dass wir kein Bezahlmodell unterstützen, bei dem die Autorinnen und Autoren bezahlen. Wir verstehen uns als Diamond-Open-Access-Verlag, Kosten werden institutionell oder konsortial beglichen. //

Dr. Christina Riesenweber

leitet das Team Open Access und Wissenschaftliches Publizieren der Universitätsbibliothek der FU Berlin. Sie ist eine von vier Personen im Team Verlagskoordination von BerlinUP.

Foto: Privat

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