Eine komplexe Aufgabe
Wer heutzutage als Arbeitgeber attraktiv und wettbewerbsfähig sein will, muss damit punkten, dass er ein Arbeitsumfeld schafft, das das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark berücksichtigt
Doch es ist gar nicht so einfach, Arbeitszufriedenheit zu messen und nachzuweisen. Für Arbeitgeber bedeutet es, dass sie sich vielfältig engagieren müssen, um ihr Personal bei der Stange zu halten.
Früher verwendete man zur Messung der allgemeinen Arbeitszufriedenheit oft ein einfaches Instrument, die Kunin-Skala. Da wurde dann gefragt: „Alles in allem – wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Job?“ Als Antwort wurde eine fünfstufige Skala mit Smileys von lachend bis traurig angeboten. Eine Frage genügte. „Heute würde man differenzierter messen“, sagt Prof. Dr. Annette Kluge, Leiterin des Lehrstuhls Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. „Es gibt eben unterschiedliche Arbeitszufriedenheiten.“
Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit mit den Kollegen, den Vorgesetzten, der zur Verfügung gestellten Technik, dem betrieblichen Gesundheitsmanagement, den Karrieremöglichkeiten oder mit der Flexibilität bei der Arbeit? Wobei die einzelnen Komponenten sich gegenseitig beeinflussen. Das Team könne gut sein, dafür aber die Möglichkeiten, flexibel zu arbeiten, zu gering. Dabei könne ein positiver Faktor die ein oder andere Schwachstelle kompensieren.
„Zufriedene Mitarbeitende leisten mehr, stellen sich bereitwilliger auf Veränderungen ein und sind auch eher bereit, die Extrameile zu gehen“
Wie ernst diese Befragungen genommen werden, ist unterschiedlich. Manche Unternehmen arbeiten die Ergebnisse sorgfältig auf. Nicht selten verschwinden sie aber auch in den Schubladen der Personalabteilung. „Zufriedenheit hat eher den Ruf, dass man ja mit vielem zufrieden sein kann“, sagt Dr. Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig. „Sobald eine bestimmte Schwelle überschritten ist, sind die meisten Menschen zufrieden.“ Dazu gehören eine auskömmliche Bezahlung, akzeptable Arbeitsbedingungen, ein gutes Auskommen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie eine geistig anregende Arbeit.
Ein Großteil der Menschen sei zufrieden, aber das sei eine relativ passive Einstellung zur Arbeit. „Man kann auch resigniert zufrieden sein“, gibt der Psychologe zu bedenken. Die neuere Forschung gehe eher in die Richtung, wie man aktive Zufriedenheit oder Engagement bei der Arbeit erreichen kann. Häufig ist daher vom Employee Engagement die Rede. „Das ist eigentlich so ein Mittelding zwischen Commitment und Zufriedenheit“, sagt Annette Kluge. „Alle wollen ein emotionales Commitment.“ Das sei die emotionale Verbundenheit mit der Organisation oder den Produkten. Zum Beispiel bei BMW oder Porsche: tolle Autos, tolle Firma. Aber nach Corona und Homeoffice spiele das keine so große Rolle mehr. „Wer als Programmierer im Homeoffice arbeitet, dem ist weniger wichtig, für welche Firma er tätig ist.“
Vor allem das Konzept New Work hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren. New Work werde unterschiedlich verstanden und gelebt, sagt Annette Kluge. „Einmal geht es darum, von überall aus arbeiten zu können, ein anderes Mal um das Thema Sinn oder Purpose.“ Jeder suche und wolle einen übergeordneten Sinn. „Die jungen Leute wollen das deutlich mehr als die Generationen zuvor“, so die Psychologin. „Sie wollen ein nachhaltiges Unternehmen, das langfristig der Welt etwas Gutes bringt, nicht nur Profitmaximierung.“ Und aufgrund des Arbeitskräftemangels könnten sie sich aussuchen, wohin sie gehen.
Der Arbeitspsychologe Zacher ist eher skeptisch bei der derzeit betonten Sinnfrage: „Die meisten Menschen suchen nicht die Erfüllung durch die Arbeit. Sie finden ihre Erfüllung eher in der Freizeit oder im Verein.“ Er gehe davon aus, dass nur ein knappes Drittel die Haupterfüllung bei der Arbeit findet. „Das sind vor allem Menschen, die auch persönlich durch die Arbeit wachsen wollen“, so der Psychologe. „Das wissen wir schon seit den 70er-Jahren und das hat sich auch gar nicht so stark verändert.“
Siegel für Employer Branding
Das Konzept New Work spielt vor allem bei der Arbeitgeberattraktivität oder dem Employer Branding eine Rolle. Das Unternehmen möchte sich selbst als gute Marke präsentieren – und da ist Zufriedenheit wichtig. Das machen sich inzwischen zahlreiche Verlage und Institute zunutze und zeichnen Unternehmen und Institute als gute Arbeitgeber aus. Bei vielen dieser Wettbewerbe wird die die Attraktivität des Unternehmens nur aufgrund von Selbstaussagen bewertet oder überhaupt nicht überprüft. Die Zahlung von ein paar Tausend Euro für die Nutzung eines „Gütesiegels“ genügt. Seit über 30 Jahren geht Great Place to Work einen anderen Weg. Die Mitarbeitenden bekommen den Fragebogen digital zugeschickt, füllen ihn anonym aus und schicken ihn zurück. Die Organisation bekommt das Ergebnis und sieht sich im Vergleich zum Benchmark.
„Wir beschäftigen uns mit Arbeitsplatzkultur und den Faktoren, die nach Ansicht der Mitarbeitenden einen guten Arbeitsplatz ausmachen“, sagt der für die Befragungen zuständige Bereichsleiter Schulte-Deußen. Abgefragt werden in einem Fragebogen 60 Items zu den Dimensionen Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamgeist. Engagement wird mit drei Items gemessen.
Das Modell und die dazugehörige Mitarbeiterbefragung wurden von Robert Levering, Gründer des Great Place to Work Institute Inc. in den USA, entwickelt. Das Instrument ist zuverlässig und valide. Die Auswertung zeigt (siehe auch Tabelle, Seite 20): Deutschlands beste Arbeitgeber sind im Vergleich zum bundesweiten unternehmerischen Durchschnitt (repräsentative Vergleichswerte) in vielen Dimensionen eindeutig besser. Die Führungskräfte machen ihre Arbeit kompetent (88 versus 57 Prozent) und beziehen ihre Mitarbeitenden in Entscheidungen ein (80 versus 44 Prozent), es wird zur Life-Balance ermutigt (82 versus 46 Prozent) und die psychische und emotionale Gesundheit ist gewahrt (83 versus 43 Prozent).
Viele Unternehmen machten vor allem wegen des Employer Branding mit – also um sich als attraktiver Arbeitsgeber zu positionieren –, entsprechend stark vertreten sind die Informationstechnologie- und die Dienstleistungsbranche. Vereinzelt hätten auch schon außeruniversitäre Institute mitgemacht. Universitäten habe man noch keine dabeigehabt. „Der öffentliche Dienst ist generell nur selten vertreten, auch, weil das Problembewusstsein oft fehlt“, sagt Schulte-Deußen. Aber gerade beim nicht wissenschaftlichen Personal, zum Beispiel bei IT-Fachkräften, täten sich Unis inzwischen auch schwer, geeignete Fachkräfte zu finden. Allerdings warnt er: „Wenn man es nur wegen der Arbeitgebermarke macht, geht der Schuss auch öfter mal hinten los.“ Er empfiehlt jeder Organisation, sich intensiv mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen.
Hochschulen im Umbruch
Auch an den Hochschulen ist gerade ein Umbruch zu spüren. „Mitarbeitende wollen sich nicht mehr alles bieten lassen“, so Annette Kluge. „Viele wollen auch hier gerne von acht bis fünf Uhr arbeiten oder bei Konferenzen nicht schon unbedingt am Sonntag anreisen.“ Die Universitäten würden somit immer mehr zu Organisationen mit festen und regulären Arbeitszeiten. Manche Unis suchten Doktoranden und Postdocs und bekämen ihre Stellen nicht mehr besetzt, da das Image eher so ist, dass man Tag und Nacht für die Vorgesetzten arbeiten müsse.
Auch Machtmissbrauch sei ein großes Thema. Nachwuchswissenschaftler fühlten sich nicht gut behandelt: Sie machten die Arbeit, aber die Professoren und Professorinnen kassierten die Autorenschaft. „Sie müssen Anträge unter deren Namen einreichen und wer nicht zu den Lieblingen gehört, bekommt keine Laborzeiten“, so die Psychologin. Dazu komme, dass die Professorinnen und Professoren nicht nur für die wissenschaftliche Betreuung zuständig sind, sondern auch über die Verträge entscheiden.
Professorinnen und Professoren müssten vor allem stärker auf Gerechtigkeit achten. „Als Professor muss ich mir Regeln geben, wie ich das Budget aufteile“, so Kluge. So gebe es bei ihr ein Projekt, wo eine Mitarbeitende 4000 Euro Reisekosten zur Verfügung habe, während es bei sogenannten Haushaltsstellen per se erst mal keine stellenbezogenen Mittel dafür gebe. Aber trotzdem müssten und sollten alle Mitarbeitenden zu Konferenzen fahren. „Da muss man drüber sprechen und kreative Lösungen finden“, so die Professorin. Zum Beispiel einen Kleinbus mieten statt einzeln mit der Bahn zu fahren.
Eines ist klar: Die Arbeitszufriedenheit wirkt sich langfristig auch auf eine höhere Lebenszufriedenheit aus. Zacher: „Da gibt es kausale Effekte.“ //
DUZ Magazin 07/2024 vom 26.07.2024